Interview: Private Equity bietet weiterhin Chancen
Im Interview erklären Britta Lindhorst, Head of European Investments, HQ Capital, und Jochen Butz, Managing Director, HQ Trust, warum der aktuelle Markt besonders viel Potential für Investitionen in Private Equity bietet.
War das abgelaufene Jahr 2022 ein gutes Jahr für Private Equity?
Britta Lindhorst: Das Jahr 2022 war ein relativ gutes Jahr für Private Equity, relativ deshalb, weil es nicht an das Ausnahmejahr 2021 heranreichen konnte. Unter Berücksichtigung der Marktumstände im abgelaufenen Jahr, also das gestiegene Zinsniveau, hohe Inflationsraten, steigende Energie- und Rohstoffkosten, Lieferkettenprobleme und natürlich dem schrecklichen Angriffskrieg Russlands in der Ukraine, kann man wirtschaftlich mit den Entwicklungen im abgelaufenen Jahr wirklich zufrieden sein.
Die Zahlen sehen nichtsdestotrotz schwächer aus als im vorangegangenen Jahr. Es gibt Rückgänge bei den neuen Fonds, die länger brauchen, um Geld einzusammeln. Das liegt auch daran, dass die Investoren ihre Portfolioallokation noch einmal genau überdenken. Dazu kommt eine reduzierte Investitionsgeschwindigkeit, da die Bepreisung von Transaktionen in unsicheren Phasen schwieriger wird. Das gleiche gilt dementsprechend auch für Realisierungen. Vor allem Börsengänge waren im abgelaufenen Jahr selten zu beobachten, was angesichts der hohen Volatilität an den Kapitalmärkten nicht verwunderlich ist.
Allgemein sind auch die Unternehmensbewertungen zurückgegangen, was sich natürlich auch auf die Performance ausgewirkt hat. Wir wissen allerdings, dass die Bewertungen in Private Equity nicht perfekt mit den Entwicklungen an der Börse korreliert sind. Trotzdem ist ein gewisser Einfluss der allgemeinen Unsicherheit an den Kapitalmärkten auf die Bewertungen im Private-Equity-Bereich zu beobachten. Hierbei gilt die Faustregel, dass die Private-Equity-Bewertungen zu 50 Prozent die Entwicklungen der Kapitalmärkte nachvollziehen. Dies sieht man auch, wenn man die Zahlen des vergangenen Jahres betrachtet: Während der MSCI World rund 13 Prozent verloren hat und der MSCI Europa rund zehn Prozent, hat die Private-Equity-Branche lediglich einstellige Rückgänge zu verzeichnen.
Entwicklung von Private Equity im Vergleich zu den globalen Aktienmärkten deutlich stabilerQuellen: Private Equity: Preqin Buyout Quarterly Index; Aktien: MSCI World Net TR USD, S&P 500 TR USD, MSCI Europe TR USD (30.09.2020 bis 30.09.2022)
Gut zu wissen: Die LIQID-Fonds entwickelten sich deutlich besser als der Gesamtmarkt. Wie sich die LIQID-Private-Equity-Fonds genau entwickelt haben, erfahren Sie hier:
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Können Sie uns ein Beispiel für eine erfolgreiche Transaktion der letzten Monate im Private-Equity-Markt geben?
Britta Lindhorst: Kurz vor Weihnachten hat CVC, ein Manager, der ebenfalls in den LIQID-Private-Equity-Portfolios verankert ist, seine Mehrheit an dem Schweizer Luxusuhrenhersteller Breitling veräußert. Mit dieser Transaktion hat der Manager eine IRR von 54 Prozent erwirtschaftet und das Unternehmen hat nun einen Gesamtwert von über vier Milliarden Euro. Das zeigt, dass wenn man die richtigen Unternehmen identifizieren kann, es nach wie vor großes Wertsteigerungspotential in der Private-Equity-Branche gibt. Das gilt auch für die Branche des zyklischen Konsums, die erheblich unter den Entwicklungen des letzten Jahres gelitten hat, da das Konsumentenverhalten sehr zurückhaltend war. Auch hier gibt es immer noch Subsektoren, wie zum Beispiel das Luxussegment, die nach wie vor sehr gut laufen.
Wie fällt Ihr Fazit für das abgelaufene Jahr aus und was ist Ihre Prognose für das neue Jahr?
Britta Lindhorst: Zusammenfassend lässt sich sagen, 2022 war ein relativ gutes Jahr, wenn es auch schwächer ausgefallen ist. Wir gehen auch davon aus, dass 2023 kein einfaches Jahr wird. Wir werden weiterhin mit Rezessionen zu kämpfen haben, wir werden aber trotzdem auch weiterhin positive Entwicklungen sehen, die bestätigen, dass unsere Strategie nach wie vor die richtige ist. Hierbei legen wir vor allem Wert auf eine Diversifizierung nach Branchen, nach Strategien und nach Ländern, beziehungsweise Kontinenten. Hinzu kommt die Tatsache, dass wir ausschließlich mit Managern investieren, die operative Erfahrung haben und wissen, wie sie Unternehmen in schwierigen Fahrwassern führen können.
Welchen Einfluss kann die Abkehr von der Zero-Covid-Politik in China sowie steigende Infektionszahlen auf den Private-Equity-Markt haben? Rechnen Sie mit Lieferkettenproblemen und realen Gefahren für mittelständischen Unternehmen?
Jochen Butz: Generell haben die Lieferkettenprobleme im letzten Jahr deutlich abgenommen. Man sieht das an fallenden Frachtraten. Was wir zusätzlich aus den Unternehmen hören, auch von Private-Equity-Managern, ist, dass es hier und da noch Verzögerungen in der Lieferung gibt, aber dass in der Breite keine großen Probleme mehr bestehen. Wir gehen daher davon aus – und das spiegeln auch Gespräche mit unserem Netzwerk aus Unternehmern wider – dass auch die neue COVID-Welle in China, die jetzt nach dem abrupten Ende der No-COVID-Strategie über China schwappt, keinen nachhaltigen, langfristigen Lieferkettenprobleme mit sich führen wird. Einerseits ist es so, dass es sich um eine temporäre Welle handelt, die auch wieder absinken wird. Andererseits ist nicht ganz China gleichermaßen betroffen. In Shanghai scheint die Welle beispielsweise schon durch zu sein. Kurz gesagt: Nein, wir rechnen nicht mit stärkeren Verwerfungen durch die neue COVID-Welle in China und durch das Ende der Maßnahmen.
Gibt es Branchen, die im aktuellen Jahr verstärkt in den Fokus von Private-Equity-Managern rücken werden?
Jochen Butz:
Private-Equity-Fonds haben sich in den letzten Jahren mit ihren Investitionen sehr stark auf Unternehmen fokussiert, die stabil sind, die Marktführer sind und die häufig in Branchen tätig sind, in denen es säkulare Trends gibt, die dazu führen, dass langfristig deutliches Wachstum vorhanden ist.
Jochen Butz: Ein Beispiel ist der Gesundheitsbereich, ein anderes Beispiel sind Softwareunternehmen, oder aber auch Unternehmen im Konsumbereich. Ich denke, dass der Fokus auf diese Unternehmen auch in Zukunft anhalten wird. Im Moment sind es etwa zwei Drittel der Investments der Private-Equity-Branche, die in diesen Branchen getätigt werden. Angesichts der aktuellen Situation wird es aber voraussichtlich auch so sein, dass Private-Equity-Fonds verstärkt auf Unternehmen setzen, die vielleicht in den letzten Jahren nicht im Fokus standen, beispielsweise im Industriebereich. In diesen Branchen waren häufig trotzdem die Bewertungen sehr hoch. Nun, mit den rückläufigen Unternehmenspreisen, werden sich in diesen Bereichen interessante Opportunitäten auftun.
Auch an der Börse sind die Bewertungen im vergangenen Jahr deutlich gefallen. Was die Preise betrifft, haben wir sehr starke Rückgänge bei börsennotierten Unternehmen beobachten können. Das macht sogenannte Public-to-Private-Strategien, bei denen Private-Equity-Fonds Anteile an börsennotierten Unternehmen aufkaufen, um diese wieder in den Privatbesitz zu überführen, außerordentlich interessant.
Ein weiterer Bereich, der in der aktuellen Situation sehr interessant ist, ist der sogenannte Secondary-Markt. Dieser ist nicht auf eine Branche fokussiert, sondern umfasst jegliche Art von Transaktionen, bei denen Anteile an bestehenden Private-Equity-Fonds gekauft werden. Diese Anteile werden üblicherweise mit einem Abschlag auf den NAV gehandelt, also mit einem sogenannten Discount. Dieser Discount steigt momentan stark an: Für erstklassige Top-Private-Equity-Fonds sehen wir zurzeit Discounts, die im Bereich von bis zu zehn Prozent liegen. Vor zwei Jahren waren Discounts in dieser Höhe nahezu undenkbar und teilweise wurden Anteile an Fonds mit Aufschlägen gehandelt. Generell sehen wir im Buyout-Bereich Abschläge von um die 20 Prozent. Aus diesen Gründen kann es aktuell für Investoren wirklich interessant sein, nicht nur über Primary-Fonds zu investieren und Unternehmen zu kaufen, sondern auch über Secondaries zu investieren.