Zinsen: Höher für länger

Zinsen: Höher für länger

Das Wichtigste in Kürze:

  • Investoren sind langfristig mit einem höheren Zinsniveau konfrontiert, sowohl in den USA als auch im Euroraum.
  • In diesem Umfeld sollten sich Anleger auf die mittelfristigen Wachstums-, Inflations- und Markterwartungen fokussieren.
  • Nach wie vor erscheinen Anleihen damit so attraktiv wie lange nicht – was insbesondere für Unternehmensanleihen gilt.

In den ersten sechs Handelswochen des laufenden Jahres haben Investoren bereits mehrere makroökonomische Szenarien durchgespielt, bzw. haben diese auch durch Käufe und Verkäufe umgesetzt.

Zum Jahreswechsel ging man an den Kapitalmärkten tendenziell von einer „leichten“ Rezession oder, im entgegengesetzten Fall, von einer „harten Landung“ der US-Wirtschaft aus. Dies wurde dann wiederum schnell vom Szenario einer „sanften Landung“ abgelöst. Nach den jüngst überraschend robust ausgefallenen volkswirtschaftlichen Daten aus den USA, insbesondere mit Blick auf den Arbeitsmarkt, steht nun die Frage eines „No Landing“ im Raum. In diesem Szenario würden sich Teile der Wirtschaft zu langsam abkühlen, während andere sich wieder beschleunigen. Dieses Szenario würde zu erneutem Inflationsdruck im System führen.

Die Medien mit dem Drang, täglich neue Nachrichten zu kreieren, fühlen sich in einem derart schnell wechselnden Umfeld natürlich pudelwohl. Dies trägt aber auch zur Volatilität an den Kapitalmärkten bei, da der Fokus der Wirtschaftsmedien meist nur auf die nächsten Tage und bestenfalls Wochen gerichtet ist.

 

Abb. 1: Antizipierte Entwicklung der US-Leitzinsen

FEDexp-1

 

Quelle: LIQID, Bloomberg. Konsensus FED Upper Bound. Zeitraum: Q1 23 – Q1 25.

 

Höher für länger

Die wohl wichtigste Veränderung in den letzten vier Wochen ist, dass Investoren langfristig mit einem höheren Zinsniveau als bislang erwartet konfrontiert sind. Denn sowohl in Bezug auf die US-Notenbank (Abb. 1) als auch für die Europäische Zentralbank (Abb. 2) wird nun mit höheren Leitzinsen gerechnet.

 

Abb. 2: Antizipierte Entwicklung der EZB-Leitzinsen

ECBexp-1

Quelle: LIQID, Bloomberg. Konsensus EZB-Hauptrefinanzierungssatz. Zeitraum: Q1 23 – Q1 25.

 

In den USA wird nun ein Zinsschritt mehr erwartet, was wir derzeit jedoch als Hintergrundrauschen verbuchen würde. Ob die Zinsen nun bei 5 oder bei 5,25 Prozent den Höchststand erreichen, macht unserer Ansicht nach keinen wesentlichen Unterschied.

Jedoch wurde der Hoffnung auf schnelle Zinssenkungen, einem sogenannten „Pivot" eine klare Absage erteilt und an den Märkten über 100 Basispunkte (in vier Zinsschritten) wieder aus den Erwartungen entfernt. Wir bleiben bei der Einschätzung, dass die amerikanische Zentralbank weiterhin nur wenig Flexibilität für einen wirklichen „Pivot“ hat.

Ein ähnliches Bild zeigt sich im Euroraum, wo die Finanzmärkte nun ebenfalls davon ausgehen, dass die EZB ihre Leitzinsen für längere Zeit auf höherem Niveau halten wird. Die EZB geht in ihren aktuellen Prognosen von einer Inflationsrate in der Eurozone von 6,3 Prozent und einer Kerninflationsrate von 4,2 Prozent per Ende 2023 aus. Dies offenbart kaum Potenzial für Zinssenkungen. 

Auf beiden Seiten des Atlantiks erwarten wir deshalb für längere Zeit höhere Zinsen, sollte es nicht zu einer globalen Rezession kommen. Dieses Szenario scheint aber zumindest für die kommenden Monate vom Tisch zu sein. Echtes Zinssenkungspotenzial scheint damit aus heutiger Sicht verpufft.

 

Was heißt das für Anleger?

In einer Phase häufig wechselnder Prognosen sollten Anleger sich auf die mittelfristigen Erwartungen von Wachstum und Inflation konzentrieren und berücksichtigen, was die Kapitalmärkte – allen voran der Anleihenmarkt – in den kommenden Quartalen bereits eingepreist hat.

Tatsächlich sind die Kreditrisikoprämien von Unternehmensanleihen in den letzten Wochen gesunken, da negative Extremszenarien wie eine Rezession oder eine Energiekrise in Europa wieder „ausgepreist“ worden sind. Dennoch ist seit dem Anstieg der Zinsen am kurzen Ende die Attraktivität der Anlageklasse weiterhin vorhanden. 

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