Glossar
30 October 2025
5 Min
Svea Sturm
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Zinseszins

Das Wichtigste in Kürze

  • Der Zinseszins ist der Zins auf bereits erwirtschaftete Zinsen. Dieser Effekt führt zu einem exponentiellen und sich beschleunigenden Wachstum des angelegten Kapitals.
  • Die Wirkung des Zinseszins-Effekts wird maßgeblich von drei Faktoren bestimmt: der Anlagedauer (Zeit), der Höhe der Rendite (Zinssatz) und der Frequenz der Zinsgutschriften (Zinsperiode).
  • Er ist ein zentraler Mechanismus für den langfristigen Vermögensaufbau, wirkt sich jedoch bei Schulden wie Krediten oder Kreditkartensalden negativ aus und kann diese ebenfalls exponentiell anwachsen lassen.

Definition

Der Zinseszins ist ein finanzielles Prinzip, bei dem Zinsen nicht nur auf das ursprüngliche Kapital (den Anlagebetrag), sondern auch auf die bereits angesammelten Zinsen aus früheren Perioden berechnet werden. Im Gegensatz zum einfachen Zins, der sich ausschließlich auf das Startkapital bezieht, entsteht durch den Zinseszins ein „Zins-auf-Zins-Effekt“, der das Kapitalwachstum exponentiell beschleunigt.

Wie funktioniert der Zinseszins-Effekt?

Der Zinseszins-Effekt entfaltet seine Wirkung, indem erwirtschaftete Erträge reinvestiert werden und somit die Basis für zukünftige Zinsberechnungen vergrößern. Mit jeder Zinsperiode wächst das Kapital nicht mehr linear, sondern in einem immer steileren Bogen an. Je länger der Anlagehorizont, desto stärker wird dieser Effekt.

Ein Beispiel* verdeutlicht die exponentielle Kraft in einem positiven und negativen Szenario:

  • Ein Kapital von 100.000 Euro wächst bei einer angenommenen jährlichen Rendite von 7 Prozent nach 10 Jahren auf rund 196.715 Euro an. 
    • Nach 20 Jahren beträgt der Wert bereits 386.968 Euro.
    • Nach 40 Jahren erreicht das Kapital durch den Zinseszins-Effekt einen Wert von 1.497.400 Euro.
  • Bei einer angenommenen negativen Rendite von -2 Prozent pro Jahr würde das Kapital nach 10 Jahren hingegen auf ca. 81.707 Euro schrumpfen.

Dieses Beispiel zeigt, dass sich der Wert in den ersten zehn Jahren nicht einmal verdoppelt hat, während er in den letzten 20 Jahren fast vervierfacht wurde. Die größten Zuwächse entstehen in den späteren Phasen des Anlagezeitraums.

Die Zinseszinsformel: Wie wird der Zinseszins berechnet?

Das zukünftige Kapital inklusive Zinseszinsen lässt sich mit einer mathematischen Formel berechnen. Die allgemeine Zinseszinsformel lautet:

Endkapital (FV) = Startkapital (P) 
(1 + r/n)(n*t)

Die Variablen stehen für:

  • FV (Future Value): Das Endkapital nach der Anlagedauer.
  • P (Principal): Das anfängliche Startkapital.
  • r (rate): Der jährliche Zinssatz als Dezimalzahl (z. B. 5 Prozent = 0,05).
  • n (number): Die Anzahl der Zinsperioden pro Jahr (z. B. jährlich = 1, quartalsweise = 4, monatlich = 12).
  • t (time): Die Anlagedauer in Jahren.

Welche Faktoren beeinflussen den Zinseszins-Effekt?

Drei zentrale Hebel bestimmen die Stärke des Zinseszins-Effekts.

Der Anlagehorizont (Zeit)

Die Zeit ist der wichtigste Faktor. Je länger das Kapital angelegt bleibt, desto stärker kann der Zinseszins wirken. Aus diesem Grund profitieren Anleger, die früh mit dem Investieren beginnen, überproportional.

Die Rendite (Zinssatz)

Ein höherer Zinssatz bzw. eine höhere Rendite führt zu einem schnelleren Wachstum. Bereits kleine Unterschiede in der jährlichen Rendite können über lange Zeiträume zu erheblichen Unterschieden im Endkapital führen.

Die Zinsperiode (Frequenz)

Je häufiger die Zinsen dem Kapital gutgeschrieben werden (z. B. monatlich statt jährlich), desto schneller beginnt der Zinseszins-Effekt zu wirken. Bei den meisten Anlageformen ist dieser Effekt jedoch im Vergleich zu Zeit und Rendite weniger ausschlaggebend.

Die 72er-Regel: Eine Faustformel zur Verdopplung des Kapitals

Die 72er-Regel ist eine einfache Methode, um abzuschätzen, wie viele Jahre es dauert, bis sich ein Investment durch den Zinseszins-Effekt verdoppelt. Die Formel lautet:

Jahre zur Verdopplung ≈ 72 / Jährlicher Zinssatz

Bei einer jährlichen Bruttorendite von 6 Prozent würde es demnach etwa 12 Jahre dauern (72 / 6 = 12), bis sich das angelegte Kapital verdoppelt hat. Bei einer Nettorendite von 4,5 Prozent (nach Abzug von 1,5 Prozent Kosten p. a.) wären es bereits ca. 16 Jahre. Diese Faustformel ist eine Schätzung und kein verlässlicher Indikator für die künftige Wertentwicklung. Bei negativen Renditen kommt es zu keiner Verdopplung, sondern zu einem Kapitalverlust.

Zinseszins in der Praxis: Wo er zum Tragen kommt

Der Zinseszins ist kein theoretisches Konstrukt, sondern ein zentraler Wirkmechanismus bei vielen Finanzprodukten:

  • Thesaurierende Fonds und ETFs: Diese legen erwirtschaftete Erträge wie Dividenden automatisch wieder an (Thesaurierung). Anleger nutzen so den Zinseszins-Effekt optimal, ohne selbst aktiv werden zu müssen.
  • Aktien mit Dividenden-Reinvestitionsplänen (DRIPs): Ausgezahlte Dividenden werden direkt zum Kauf neuer Aktienanteile verwendet, was die Basis für zukünftige Erträge vergrößert.
  • Sparkonten und Festgeld: Auch hier werden Zinsen in regelmäßigen Abständen dem Guthaben zugeschlagen und fortan mitverzinst.
  • Schulden und Kredite: Der Zinseszins wirkt auch bei Verbindlichkeiten. Bei Kreditkartenschulden oder Ratenkrediten werden Zinsen auf den ausstehenden Saldo inklusive der bereits aufgelaufenen Zinsen berechnet, was die Schuldenlast beschleunigen kann.

Zusammenfassung

Der Zinseszins ist einer der stärksten Treiber für langfristigen Vermögenszuwachs. Er belohnt Geduld und Disziplin, da seine Wirkung über die Zeit exponentiell zunimmt. Für Anleger bedeutet dies, dass ein früher Start und eine konsequente Reinvestition von Erträgen entscheidend sind, um das volle Potenzial des Kapitalwachstums auszuschöpfen. Gleichzeitig ist das Bewusstsein für seine negative Wirkung bei Schulden essenziell für eine gesunde Finanzplanung

* Hinweis: Prognosen sind kein verlässlicher Indikator für die künftige Wertentwicklung. Die Beispielrechnung ist zudem eine Bruttodarstellung und berücksichtigt keine Kosten, Gebühren oder Steuern. Bei einer angenommenen Kostenquote von 1,5 Prozent pro Jahr würde die Nettorendite im positiven Beispiel auf 5,5 Prozent sinken.

Svea Sturm

Investment Analyst, Investment Product und Marketing, LIQID

Svea ist Investment Analystin in der Schnittstelle zwischen den Investment und Marketing Teams. Sie erstellt Marktanalysen über Kapitalmärkte und Private Markets für interne und externe Kommunikation. Dabei fokussiert sie sich vor allem auf die Erstellung von kundenfokussiertem Content.

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