Glossar
30 October 2025
5 Min
Svea Sturm
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sichere Häfen

Das Wichtigste in Kürze

  • Sichere Häfen sind Finanzinstrumente, die in Phasen wirtschaftlicher Unsicherheit ihren Wert voraussichtlich halten oder steigern. 
  • Zu den etablierten sicheren Häfen zählen Staatsanleihen höchster Bonität, Edelmetalle wie Gold und stabile Währungen.
  • Auch vermeintlich sichere Anlagen sind nicht risikofrei. Anleger müssen unter anderem das Zinsänderungsrisiko bei Anleihen, das Inflationsrisiko bei Bargeld und das Währungsrisiko bei ausländischen Anlagen berücksichtigen.

In Zeiten von Marktvolatilität, geopolitischen Spannungen oder wirtschaftlichen Abschwüngen suchen Anleger nach Stabilität. Das Phänomen der „Flucht in die Sicherheit“ (Flight-to-Safety) beschreibt die Umschichtung von Kapital aus risikoreichen Anlagen wie Aktien in sogenannte sichere Häfen-Anlagen. Doch was genau qualifiziert eine Anlage als sicheren Hafen und welche Optionen stehen zur Verfügung? Dieser Artikel bietet einen Überblick über die Funktionsweise, die verschiedenen Arten und die strategische Rolle von sicheren Häfen in einem diversifizierten Portfolio.

Was sind sichere Häfen?

Eine sichere Hafen (im Englischen: Safe Haven) Anlage ist ein Finanzinstrument, das in Zeiten von Marktturbulenzen eine geringe oder negative Korrelation zu risikoreicheren Anlageklassen aufweist. Das bedeutet, während die Kurse von Aktien fallen, bleibt der Wert eines sicheren Hafens tendenziell stabil oder steigt sogar an. Das primäre Ziel ist die Kapitalerhaltung – der Schutz des investierten Vermögens vor signifikanten Verlusten.

Die wichtigsten Merkmale, die eine Anlage als sicheren Hafen qualifizieren, sind:

  • Hohe Liquidität: Die Anlage muss schnell und ohne wesentliche Kursverluste in Bargeld umgewandelt werden können.
  • Geringes Ausfallrisiko: Die Wahrscheinlichkeit, dass der Schuldner (z. B. ein Staat) seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, muss extrem gering sein.
  • Stabile Nachfrage: Auch in Krisenzeiten muss eine beständige Nachfrage nach der Anlageklasse bestehen.

Klassische sichere Häfen im Überblick

Bestimmte Anlageklassen haben sich historisch als verlässliche sichere Häfen erwiesen. Ihre Eignung kann jedoch je nach Art der Krise variieren.

Staatsanleihen höchster Bonität

Staatsanleihen, die von wirtschaftlich stabilen Ländern mit höchster Kreditwürdigkeit (Bonität) emittiert werden, gelten als Inbegriff der Sicherheit. Ratingagenturen wie S&P oder Moody's bewerten diese typischerweise mit „AAA“ oder „AA+“. In Krisenzeiten steigt die Nachfrage nach diesen Papieren, was ihre Kurse antreibt und die Renditen sinken lässt.

US-Treasuries: US-Staatsanleihen bilden trotz wachsender fiskalischer Risiken und steigender Verschuldung weiterhin den größten und liquidesten Anleihemarkt der Welt. Ihr traditioneller Ruf als sicherer Hafen wird jedoch zunehmend hinterfragt, da hohe Defizite, politische Unsicherheiten und Zinsvolatilität das Risikoprofil verändern.

Deutsche Bundesanleihen („Bunds“): Sie gelten als Referenz für Sicherheit innerhalb der Eurozone.

Edelmetalle – Gold als traditioneller Wertspeicher

Gold wird seit Jahrtausenden als Wertaufbewahrungsmittel geschätzt. Es generiert zwar keine Zinsen oder Dividenden, hat aber historisch bewiesen, dass es in Phasen von Marktstress und hoher Inflation seinen Wert gut erhalten kann. In einigen Krisenphasen lag die Korrelation von Gold zum S&P 500 kurzfristig zwischen -0,4 und -0,6, was seine diversifizierende Wirkung unterstreicht. Nachteile sind die anfallenden Lager- und Versicherungskosten für physisches Gold.

Stabile Währungen

Einige Währungen gelten aufgrund der politischen und wirtschaftlichen Stabilität ihrer Länder als sichere Häfen. Anleger tauschen in unsicheren Zeiten ihre Heimatwährung in diese stabileren Alternativen.

Schweizer Franken (CHF): Die Schweiz zeichnet sich durch politische Neutralität, ein starkes Bankensystem und eine geringe Staatsverschuldung aus.

US-Dollar (USD): Als weltweit führende Reservewährung profitiert der Dollar in globalen Krisen von einer hohen Nachfrage.

Japanischer Yen (JPY): Japan ist eine der größten Gläubigernationen der Welt, was dem Yen in Krisenzeiten Stabilität verleiht.

Defensive Aktien als Alternative?

Defensive Aktien sind keine klassischen sicheren Häfen, da sie weiterhin dem Aktienmarktrisiko unterliegen. Sie stammen jedoch aus nicht-zyklischen Sektoren, deren Produkte und Dienstleistungen auch in wirtschaftlichen Abschwüngen nachgefragt werden. Dazu gehören Unternehmen aus den Bereichen Basiskonsumgüter, Versorger und Gesundheitswesen. Ihre Kurse sind in der Regel weniger volatil als die des Gesamtmarktes, bieten aber keinen garantierten Kapitalschutz.

Sichere Anlagen vs. traditionelle Anlagen: Ein Vergleich

Der fundamentale Unterschied zwischen sicheren Häfen und traditionellen Wachstumsanlagen wie Aktien liegt im Risiko-Rendite-Profil. Während Aktien auf langfristiges Kapitalwachstum ausgelegt sind und dafür höhere Schwankungen in Kauf nehmen, zielen sichere Häfen auf Stabilität und Kapitalerhalt ab.

Dieser Fokus auf Sicherheit führt häufig zu Opportunitätskosten: In Phasen steigender Aktienmärkte erzielen sichere Häfen in der Regel deutlich geringere Renditen. Allerdings zeigt das Beispiel Gold in 2024 und 2025, dass diese Rolle nicht immer eindeutig verteilt ist. In der jüngsten Marktphase konnte das Edelmetall trotz fester Aktienmärkte zulegen. Ihre Schutzfunktion entfalten sichere Anlagen dennoch vor allem dann, wenn Risikoassets unter Druck geraten.

Können sichere Anlagen auch riskant werden?

Der Begriff „sicher“ ist relativ. Auch Safe Haven Anlagen bergen spezifische Risiken, die strategische Anleger kennen sollten.

Zinsänderungsrisiko bei Anleihen

Das größte Risiko für Halter von Staatsanleihen ist ein unerwarteter Anstieg der Marktzinsen. Steigen die Zinsen, verlieren bestehende Anleihen mit niedrigerer Verzinsung an Wert. Insbesondere Anleihen mit langer Laufzeit sind von diesem Zinsänderungsrisiko betroffen.

Inflationsrisiko bei Bargeld und niedrig verzinsten Anlagen

Bargeld und Bankguthaben sind nominal sicher, verlieren aber durch Inflation real an Kaufkraft. Wenn die Inflationsrate die Rendite einer Staatsanleihe übersteigt, erleidet der Anleger einen realen Wertverlust. Bei einer Inflationsrate von 3 Prozent verliert Bargeld innerhalb eines Jahres 3 Prozent seiner Kaufkraft.

Verlust des „sicherer Hafen“-Status

Der Status als sicherer Hafen ist nicht in Stein gemeißelt. Drastische politische oder wirtschaftliche Veränderungen in einem Land können dazu führen, dass Anleger das Vertrauen in dessen Währung oder Staatsanleihen verlieren.

Die Auswahl und Gewichtung von sicheren Häfen erfordert eine genaue Analyse des makroökonomischen Umfelds und der individuellen Portfoliostruktur. Um in komplexen Marktphasen die richtigen Entscheidungen zu treffen, kann der Dialog mit Experten entscheidende Orientierung und Klarheit bieten. Wenn Sie eine fundierte Einschätzung zu Ihrer Anlagestrategie wünschen, vereinbaren Sie jetzt ein kostenloses Gespräch

Die Rolle von sicheren Häfen in einem diversifizierten Portfolio

Safe Haven Anlagen sollten nicht als alleinstehende Investition, sondern als strategischer Baustein eines breit diversifizierten Portfolios betrachtet werden. Eine angemessene Beimischung von Gold oder Staatsanleihen kann dazu beitragen, die Gesamtvolatilität eines Portfolios zu senken.

In Krisenzeiten dienen sie als Stabilisator und können im Rahmen eines Rebalancings genutzt werden: Wenn die Kurse der sicheren Häfen gestiegen und die Aktienkurse gefallen sind, können Gewinne aus den sicheren Anlagen realisiert werden, um günstig in risikoreichere Anlagen umzuschichten.

Zusammenfassung

Safe Haven Anlagen sind ein wichtiges Instrument für das Risikomanagement in einem Portfolio. Sie bieten meist Schutz und Stabilität, wenn andere Anlageklassen unter Druck geraten. Anleger sollten sich jedoch bewusst sein, dass diese Sicherheit ihren Preis hat – in Form von geringeren Renditechancen in positiven Marktphasen und spezifischen Risiken wie Inflation oder Zinsänderungen.

Ein strategischer und disziplinierter Einsatz von Gold, Staatsanleihen und stabilen Währungen kann die Widerstandsfähigkeit eines Portfolios entscheidend verbessern. Sie sind kein Allheilmittel, aber ein Bestandteil einer robusten und langfristig ausgerichteten Anlagestrategie.

Svea Sturm

Investment Analyst, Investment Product und Marketing, LIQID

Svea ist Investment Analystin in der Schnittstelle zwischen den Investment und Marketing Teams. Sie erstellt Marktanalysen über Kapitalmärkte und Private Markets für interne und externe Kommunikation. Dabei fokussiert sie sich vor allem auf die Erstellung von kundenfokussiertem Content.

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