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Mit Private Equity in KMUs und Hidden Champions investieren

Tim Brückner
Der Mittelstand ist ein Erfolgsmodell. Nicht nur hierzulande gilt er als Motor für die Wirtschaft. Aus gutem Grund: Mittelständische Unternehmen fühlen sich ihrer Region verpflichtet, verfolgen dort langfristig ausgerichtete Strategien und sind besonders innovationsfreudig. Sie verfügen über eine stabile Führung und eine hohe Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen. Vor allem aber kann der Mittelstand häufig schneller und flexibler auf sich verändernde Marktbedingungen reagieren als börsennotierte Unternehmen. Er vereint damit Stabilität und Fortschritt. Das macht kleine und mittlere Unternehmen (KMU) auch für Anleger interessant.
Warum das relevant ist: In Deutschland bildet der Mittelstand das Rückgrat der Volkswirtschaft. Über 99 Prozent aller Unternehmen zählen dazu. Nur ein Bruchteil dieser Unternehmen ist jedoch an der Börse gelistet (3% der Unternehmen mit Umsätzen von über 50 Mio. EUR). Private-Equity-Fonds ermöglichen Anlegern an diesem entscheidenden Bereich der Wirtschaft teilzuhaben.
Der Wettbewerb erfordert Wachstumsinvestitionen
Mittelständische Unternehmen sind ein starker Partner für Großunternehmen weltweit. Denn sie übernehmen wichtige Aufgaben entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Als verlässlicher und oft hochspezialisierter Partner decken viele dieser Unternehmen vor- oder nachgelagerte Stufen des Wertschöpfungsprozesses ab und unterstützen Großunternehmen dabei, innovative und komplexe Produkte sowie Dienstleistungen und Systemlösungen umzusetzen.
Dabei sehen sich Mittelständler einem immer stärker werdenden internationalen Wettbewerb ausgesetzt. Die Globalisierung ermöglicht Konzernen und Verbrauchern den Zugriff auf Konkurrenzprodukte und -firmen aus aller Welt. Da Entwicklungsländer mit günstigen Herstellungskosten locken, sind Exporte allein keine Garantie mehr dafür , sich in diesem Marktumfeld zu behaupten. Gleichzeitig haben sich aber auch die Absatzmärkte für den Mittelstand weltweit und damit die Chancen auf Gewinne vergrößert. Für anhaltenden Erfolg und langfristige Wachstumspläne benötigen KMU daher häufig frisches Geld von außen.
Was das zur Folge hat: Für KMU entstehen an strategischen Punkten ihrer Unternehmensentwicklung immer wieder neue, individuelle Finanzierungs- und Beratungsbedarfe: das Kerngebiet von Private-Equity-Gesellschaften.
Wie Private Equity in den Mittelstand investiert
Gegenüber Aktienfonds beschäftigen sich Private-Equity-Fonds mit weniger Unternehmen, aber dafür weitaus intensiver. Nach der Übernahme eines Unternehmens kümmern sie sich aktiv um die Realisierung von Wertschöpfungsmöglichkeiten. Bei ihren Investitionen achten Private-Equity-Fonds daher – je nach Strategie (Growth, Buyout, Distressed/Turnaround, Secondary) – auf folgende Kriterien bei der Auswahl ihrer Portfoliounternehmen:
- Marktposition und Marktumfeld
- Wertschöpfungsmöglichkeiten
- Stabile, wiederkehrende Cashflows
- Planbare Kapitalanforderungen (intakte Unternehmen, keine Sanierungsfälle)
- Innovationskraft/Nutzung von Branchentrends
- Starkes Management-Team
Um Firmen mit ungenutzten Potenzialen zu identifizieren, liegt der Investitionsfokus auf gesunden Mittelständlern in Zukunftsbranchen, die von einem gut funktionierenden Hidden Champion zu einem weltweit agierenden Unternehmen anwachsen können. Private-Equity-Firmen haben so in der Vergangenheit bereits zukunftsorientierte Unternehmensstrategien entwickelt, die mitunter ganze Geschäftsmodelle exportieren: zum Beispiel, indem Unternehmen einen Teil ihrer Wertschöpfung ins Ausland verlagern oder dort gezielt Firmen übernehmen, um durch Buy-and-Build Synergiepotenziale zu realisieren.
Private Equity ist dabei kein neues Phänomen, sondern stützt den deutschen Mittelstand schon seit vielen Jahren. Unternehmen wie Hugo Boss, ConvaTec, Rodenstock oder Fielmann wären ohne privates Beteiligungskapital nicht dort, wo sie heute sind. Aber auch große Konzernabspaltungen wie Thyssenkrupp Elevator – mit 17 Milliarden Euro der größte PE-Deal aller Zeiten in Deutschland – haben bereits von Private Equity profitiert.
Deutschland ist laut einer Umfrage der interessanteste Markt für PE-Gesellschaften in Europa. Eine Analyse der Branchenschwerpunkte für Deutschland zeigt, dass die Informations- und Kommunikationstechnik-Branche mit einem Investitionsanteil von 39 Prozent mit deutlichem Vorsprung an erster Stelle steht. Dahinter liegen die Branchen Unternehmensprodukte/-dienstleistungen und Biotechnologie/Gesundheitswesen sowie Konsumgüter/-services.
Werterhalt und Wertschöpfung durch Private Equity
Ein weiterer wichtiger Aspekt von Private Equity ist die Abhilfe bei der Nachfolgeplanung in familiengeführten Firmen, welche häufig im Mittelstand zu finden sind. Unternehmer, die planen, sich aus ihrer unternehmerischen Tätigkeit zurückzuziehen, sind mit einer großen Herausforderung konfrontiert: Typischerweise ist die Übergabe an ein Familienmitglied die bevorzugte Wahl – nach Berichten der Europäischen Kommission, findet dies jedoch immer seltener statt. Oft scheitert ein solcher Generationswechsel an mangelndem Interesse der potenziellen Nachfolger oder fehlender Qualifikation. Aus diesen Gründen suchen viele Unternehmer anderweitig nach professionellen Lösungen um diesen Herausforderungen zu begegnen (Quelle: Adveq, 2013). Hier kann ein ein strategischer Private-Equity-Partner die Kontinuität für das Unternehmen sichern.
Im Jahr 2020 haben Private Equity Firmen mehr als 12,5 Milliarden Euro in mehr als 1.000 Unternehmen in Deutschland investiert (Quelle: PEI, 2021). Das Segment Buyout steht hierbei für die etablierteste und größte Strategie nach Summe der investierten Beträge. So lag international im Jahr 2020 der Anteil an Buyouts bei 61 Prozent, gefolgt von Growth mit 23 Prozent, Distressed mit 10 Prozent und Secondaries mit 6 Prozent (Quelle: Bain 2022). Dies verdeutlicht den starken Fokus auf etablierte und profitable Unternehmen bei Private-Equity-Investoren. Für Private-Equity-Manager bedeutet die starke Nachfrage, dass die Ergebnisse der Due Diligence der entscheidende Faktor sind, um Wertschöpfungsmöglichkeiten umfassend auszuloten und auszuschöpfen. So können die besten Manager ihren Portfoliounternehmen selbst bei hohen Unternehmensbewertungen zu weiterem Wachstum verhelfen – und damit auch die Erfolgsbilanz für Anleger stärken.
Fallbeispiel: Pumpenfabrik Wangen – vom Hidden Champion zum internationalen Player
Die Pumpenfabrik Wangen GmbH wurde im Jahr 1969 in Wangen im Allgäu gegründet. Das Unternehmen ist einer der Marktführer bei der Herstellung von Schneckenpumpen, welche zum Beispiel für die Förderung von Materialien mit starker Füllung oder grober Körnung geeignet sind. Das Produktportfolio reicht von Standard- bis hin zu Spezialpumpen, die vom Unternehmen selbst entwickelt und produziert werden. Namhafte Kunden sind unter anderem die Royal Navy (Pumpen für Fregatten) oder Schwarzkopf (Haarpflegeprodukte).
Im Jahr 2017 beteiligte sich Silverfleet Capital, ein auf Buy-and-Build spezialisiertes europäisches Private-Equity-Unternehmen, an dem Hidden Champion durch den Erwerb der Mehrheitsanteile von den bisherigen privaten Gesellschaftern. Im Jahr 2022 wurde der Verkauf des Unternehmens an die Atlas Copo Gruppe, ein weltweit tätiger schwedischer Industriekonzern, beschlossen. In der Zeit dazwischen konnte Silverfleet Capital gemeinsam mit dem Unternehmen das internationale Wachstum vorantreiben und die Kernmärkte mit einem erweiterten Produktportfolio durchdringen. Ein neues Management-Team wurde installiert, welches durch seine langjährige Erfahrung die internationale Wachstumsstrategie umsetzen konnte.
Das Management hat die Firma von einem eher handwerklich geführten Unternehmen zu einem systematisch und industriell agierenden Unternehmen entwickelt. Beispielsweise konnte Silverfleet die Mitarbeiterzahl bis zum Exit von 200 auf 265 erhöhen. Damit wurde die Basis geschaffen, weiteres Wachstum zu realisieren. Durch einen Standort in Illinois wurde die Präsenz in den USA gestärkt. Im Zeitraum bis 2020 konnte so der Umsatz in den USA mehr als verfünffacht werden. Die auch dort stark vermarktete MX Technologie (hygienische Exzenterschneckenpumpen, seit 2019 im Produktprogramm enthalten) hat das Unternehmensergebnis robuster und konjunkturunabhängiger gemacht, sodass die COVID-19 Pandemie nur geringe Auswirkungen auf das EBITDA hatte. Darüber hinaus wurden umfangreiche Investitionen durchgeführt, um Maschinen und Anlagen zu modernisieren und Produktivitätsfortschritte zu realisieren (Quellen: Pumpenfabrik Wangen, Silverfleet Capital, Bundesanzeiger).
Das Beispiel zeigt eindrücklich, wie Private-Equity-Firmen den Wertschöpfungsprozess aktiv mitgestalten und die Realisierung vorantreiben – und so einen mittelständischen Hidden Champion zu einem internationalen Player entwickeln können.
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