KI treibt Rekordfinanzierungen, US-Politik lenkt Kapitalströme

Das Wichtigste in Kürze
- Im dritten Quartal stieg das globale VC-Funding dank weniger großer KI-Spätphasenrunden um 38 Prozent auf 97 Milliarden Dollar.¹
- Die USA bleiben führend bei High-Tech-Venture-Investments, sehen aber Gegenbewegungen durch Talentmigration und eine wachsende Zurückhaltung von Investoren gegenüber regulatorischen Risiken.
- Europa nutzt geopolitische Umbrüche als Chance und wird zur Alternative für Talente und Kapital, während LATAM zunehmend ein eigenes Innovationsmodell entwickelt.
In den letzten Wochen setzte sich der globale Aufwärtstrend am Venture-Capital-Markt fort, auch wenn sich die Entwicklung weiter auf wenige Sektoren und Spätphasen-Megadeals konzentrierte. Im dritten Quartal 2025 stieg das weltweite VC-Funding um 38 Prozent auf 97 Milliarden Dollar gegenüber dem Vorjahr¹, getragen vor allem von riesigen Finanzierungsrunden in KI und einer Zunahme von M&A-Aktivitäten.
Über 30 Prozent des gesamten Kapitals flossen in Runden von 500 Millionen Dollar oder mehr – herausragende Beispiele waren Anthropic (13 Milliarden US-Dollar), xAI (5,3 Milliarden US-Dollar) und Mistral AI (2 Milliarden US-Dollar). In den USA dominieren weiterhin wenige „AI Winners“ und später phasige Investments, während Frühphaseninvestments deutlich strenger geprüft wurden und seltener zustande kamen.
Regionale Verschiebungen
Im Oktober waren im Venture-Capital-Markt klar ausgeprägte regionale Verschiebungen zu beobachten. Die USA blieben zwar weiterhin die dominante Kraft für Venture-Investitionen, insbesondere in Richtung KI, Deep Tech und später Phasen. Dennoch verstärkt sich der Trend zur Internationalisierung, und Europa sowie Lateinamerika gewinnen gezielt an Profil und sind zunehmend relevant als Standorte wie auch als Zielmärkte für Kapital.
In den USA konzentrierte sich das Investoreninteresse auf einige wenige „Winner Takes All“-Plattformen, Mega-Finanzierungsrunden und hochspezialisierte Tech-Vertikalen. Der Markt bleibt exklusiv, der Zugang zu Kapital ist für Newcomer erschwert, die Zahl der Unicorns steigt aber weiter. Die politische Unsicherheit im Zusammenhang mit Visa und Regulierung trifft dabei vor allem internationale Gründer und Tech-Spezialisten und treibt Europas Attraktivität als Alternative im Talent- und Finanzierungskampf.
Europa als Profiteur von US-Regulierungen?
Europa profitiert von verschärften US-Regularien: Infolge der restriktiven neuen Visa-Regeln für ausländische Tech-Talente und des anhaltenden US-Handelskonflikts mit China wenden sich immer mehr Start-ups und Investoren in Richtung London, Paris, Berlin sowie Amsterdam. Für viele europäische Scale-ups werden internationale Märkte, insbesondere Lateinamerika und Asien-Pazifik, als Expansionsziel strategisch wichtiger. Zudem investieren europäische Fonds nun gezielt außerhalb der Region und werden als aktiverer VC-Spieler global wahrgenommen.
Geopolitische Neuorientierung im LATAM-Techsektor
Lateinamerika hebt sich durch wachsende Widerstände gegen die US-Politik hervor. Start-ups und Tech-Marktführer setzen verstärkt auf europäische und asiatische Partnerschaften anstelle von US-Investments, da Importzölle, restriktive Visa und Washingtons Politik die Anschlussfähigkeit der Region begrenzen. Außerdem wächst der Einfluss regionaler Ökosysteme wie São Paulo, Mexico City oder Buenos Aires; lokale VCs und internationale Fonds verstärken ihre Präsenz und zeigen sich offener für Kooperationen mit Europa und Asien, während die Abhängigkeit von US-Kapital und -Regulierung abnimmt.
Updates aus dem LIQID Venture PRO Portfolio
Spannende Entwicklungen gab es auch wieder bei den Unternehmen aus den LIQID Venture PRO Portfolios zu beobachten. Hier sind die wichtigsten Ereignisse im Überblick.
Cursor: KI für Entwickler im Milliardenrennen
Cursor ist ein KI-Coding-Assistent, entwickelt vom Start-up Anysphere, der Entwicklern beim Schreiben, Testen und Verstehen von Code unterstützt. Die Lösung gilt als eines der fortschrittlichsten KI-Tools für die Softwareentwicklung – vergleichbar mit anderen bekannten Tools wie Devin oder GitHub Copilot, aber mit einer eigenen Modell-Infrastruktur im Hintergrund.
Update: Cursor steht kurz vor einer neuen Finanzierungsrunde in Höhe von mindestens 1 Milliarde US-Dollar bei einer Bewertung von 27 Milliarden US-Dollar. Das wäre fast eine Verdreifachung gegenüber der letzten Runde im Juni (9,9 Milliarden US-Dollar). Coatue Management soll neu einsteigen, Accel seine Beteiligung ausbauen. Das zusätzliche Kapital ergänzt Anyspheres bestehende Reserven von 800 Millionen US-Dollar und soll das Training eigener KI-Modelle weiter beschleunigen.
Deel: HR-Tech mit Börsenreife
Deel bietet eine Plattform für globale Personalverwaltung – vom Onboarding über Gehaltsabrechnung bis zu Compliance. Start-ups und Konzerne nutzen die Software, um Mitarbeitende und Freelancer weltweit rechtskonform zu beschäftigen.
Update: Trotz laufender Rechtsstreitigkeiten mit dem Rivalen Rippling hat Deel 300 Millionen US-Dollar eingesammelt bei einer Bewertung von 17 Milliarden US-Dollar. Das Unternehmen ist seit drei Jahren profitabel, erreichte im September einen Monatsumsatz von über 100 Millionen US-Dollar und erzielt Insidern zufolge etwa 15 bis 17 Millionen US-Dollar EBITDA. Andreessen Horowitz sieht Deel als „public market company in the very near term,“ also als IPO-Kandidat mit guten Chancen.
Tempo: Stablecoin-Infrastruktur für die Welt
Tempo ist ein junges Krypto-Infrastruktur-Startup, das ein globales Zahlungsnetzwerk auf Stablecoin-Basis aufbaut. Hinter dem Projekt stehen führende Kräfte aus dem Stripe- und Paradigm-Universum. Ziel: Stablecoins massentauglich machen – mit Partnern wie OpenAI, Shopify und Visa.
Update: In einer Series-A-Runde hat Tempo 500 Millionen US-Dollar eingesammelt – bei einer Bewertung von 5 Milliarden US-Dollar. Zu den Investoren zählen Greenoaks und Thrive. Das Kapital fließt in den Aufbau eines skalierbaren, sicheren Zahlungsnetzwerks – mit Fokus auf Schnelligkeit, Transparenz und regulatorische Anschlussfähigkeit.
Gut zu wissen: Was ist der „Cap Table“? Ein Cap Table (Kurzform für Capitalization Table) ist eine Übersicht, die zeigt, wem wie viele Anteile an einem Start-up gehören – inklusive Gründer, Investoren und Mitarbeitenden mit Beteiligungen. Sie spielt eine zentrale Rolle bei Finanzierungsrunden, weil sie Transparenz darüber schafft, wie sich Eigentumsverhältnisse durch neue Investments verändern. Je später die Runde, desto wichtiger ist ein sauber strukturierter Cap Table.
¹ Quelle: Angles Partners. The 2025 Q3 VC Landscape: A Snapshot. Stand: 7.10.2025.
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