US-Zölle: Alte Rhetorik, neue Realität?

US-Zölle: Alte Rhetorik, neue Realität?
Mit neuen Strafzöllen sorgt Donald Trump für Turbulenzen an den Finanzmärkten. Doch hinter der Eskalation stecken mehr als politische Machtspiele. Welche Szenarien nun denkbar sind – und wie Sie sich strategisch positionieren können.
30.4.2025
5 Minuten
LIQID

Die aktuellen US-Zollmaßnahmen haben die globalen Finanzmärkte in eine Schockstarre versetzt. Nach der Wiederwahl Donald Trumps erreicht die handelspolitische Unsicherheit mit Strafzöllen von bis zu 49 Prozent auf Importe aus Asien (China noch höher) und Europa einen neuen Höhepunkt. Während die Börsen weltweit schwanken wie schon lange nicht mehr, steht die Weltwirtschaft an einem Scheideweg zwischen eskalierendem Handelskonflikt und diplomatischen Lösungen. Nun stellt sich die Frage: Droht der Weltwirtschaft erneut ein Handelskrieg – oder überwiegt am Ende wirtschaftspolitische Vernunft? 

Eskalationsdynamik und unmittelbare Folgen

Die neuen US-Zölle treffen Handelspartner unterschiedlich hart:

  • EU-Länder müssen 20 Prozent Aufschlag hinnehmen.
  • Japan wird mit 24 Prozent belastet.
  • Vietnam und Kambodscha trifft es mit 46 Prozent bzw. 49 Prozent.
  • Chinesische Exporte wurden mit Zöllen von bis zu 245 Prozent belegt.

Nur Kanada und Mexiko bleiben vorerst verschont. Die durchschnittliche Zollbelastung US-amerikanischer Importe erreicht mit über 20 Prozent historische Höchststände – vergleichbar mit protektionistischen Maßnahmen der 1910er Jahre.

Quelle: LIQID, Fitch Ratings. Effektiver US-Zollsatz: US Effective Tariff Rate (ETR). Zeitraum: 1880–2025. Stand:04.04.2025. HistorischeWertentwicklungen sind kein Indikator für die zukünftige Wert­ent­wick­lung.

Wirtschaftliche Auswirkungen:

  • Die US-Wachstumsprognose von unserem Partner Neuberger Berman für 2025 sinkt von 2,3 Prozent auf unter 1 Prozent.
  • Erhöhtes Risiko einer Rezession bei weiteren Vergeltungsmaßnahmen.
  • Die Kerninflationsrate könnte auf 3,5 Prozent steigen.

Verhandlungsspielräume und diplomatische Manöver

Trotz martialischer Rhetorik deuten drei Faktoren auf Verhandlungswillen hin:

  • Die Zollhöhen dienen laut US-Finanzministerium als Verhandlungsbasis („Obergrenze”).
  • Die Ausnahmeregelung für NAFTA-Partner zeigt eine differenzierte Herangehensweise.
  • Bisherige Vergeltungsmaßnahmen bleiben zielgerichtet (z. B. chinesische Sonderzölle auf Agrarprodukte).

Europäische Verhandler bereiten bereits interne Kompensationsmaßnahmen vor, anstatt sofort zu kontern. Asiatische Staaten wie Südkorea signalisieren Gesprächsbereitschaft. Analysten erwarten jedoch monatelange Verhandlungen mit hoher Volatilität an den Märkten.

Sektoren im Visier der Zollpolitik

Besonders stark unter Druck stehen Branchen mit hoher Importabhängigkeit. Im ersten Quartal zeigen sich deutliche Unterschiede in der erwarteten Gewinnentwicklung dieser Sektoren. Die Chemieindustrie verzeichnet bei einer Importquote von 21 Prozent den stärksten Rückgang mit einem geschätzten Minus von 13,7 Prozent. Industriegüter mit ebenfalls 21 Prozent Importanteil dürften ihre Gewinne um 6,8 Prozent reduzieren. Den höchsten Importanteil weist der Bereich Automobilteile mit 24 Prozent auf – hier wird ein Rückgang von 7,2 Prozent prognostiziert.*

Der Technologiesektor steht unter doppeltem Druck: Zum einen aufgrund seiner eigenen Importabhängigkeit (etwa 24 Prozent bei Computerelektronik), zum anderen durch potenzielle europäische Vergeltungsmaßnahmen gegen US-Techkonzerne.

Small Caps unter Druck – Paradigmenwechsel gefährdet?

Die jüngste Marktkorrektur traf insbesondere US-Nebenwerte: Der Russell 2000 verzeichnete seit Jahresbeginn ein Minus von 11,9 Prozent (Stand: 28. April 2025). Laut Schätzungen der Bank of America fallen die Gewinneinbußen von Small Caps im Falle von Handelskonflikten etwa dreimal so hoch aus wie bei Large Caps. Dies gefährdet das Anlegerthema der „Breiten Markterholung” jenseits der Tech-Giganten. Gleichzeitig zeigen aktuelle Gewinnprognosen:

  • Der S&P 493 (ohne Magnificent 7) erwartet ein Gewinnwachstum von +8,7 Prozent Gewinnwachstum.
  • Für die Magnificent 7 werden +13,6 Prozent Wachstum prognostiziert.

Die Konvergenz der Gewinnentwicklungen könnte sich durch Handelskonflikte beschleunigen – allerdings durch Gewinneinbrüche der Tech-Branche statt durch Aufholen anderer Sektoren.

Ausblick: Zwischen Hoffnung und Hybris

Die nächsten Wochen entscheiden über den weiteren Verlauf:

  • FED-Signale bei der Zinsentscheidung am 7. Mai
  • EU-Reaktionen auf die US-Zollpolitik
  • Chinas nächste Schritte nach ersten Vergeltungsmaßnahmen

Historische Parallelen legen nahe, dass die größten Wachstumseinbußen innerhalb von 6 Monaten absorbiert werden könnten – vorausgesetzt, die Eskalationsspirale wird gestoppt. Für langfristige Investoren bieten die aktuellen Bewertungskorrekturen möglicherweise Einstiegschancen in europäische und asiatische Märkte.

Der Erfolg von Trumps Wirtschaftsagenda steht auf dem Spiel. Die positive Wirkung von Steuererleichterungen und Deregulierung könnte schlimmstenfalls verpuffen. Die Kunst wird darin bestehen, nationalen Protektionismus mit multilateralem Verhandlungsgeschick in Einklang zu bringen – ein Balanceakt mit globalen Auswirkungen.

Was bedeutet das für Anleger?

Der aktuelle Handelskonflikt zwischen den USA und ihren Handelspartnern bleibt ein Belastungsfaktor für Weltwirtschaft und Börsen. Die unmittelbaren Folgen – höhere Inflation, verlangsamtes Wachstum und Unsicherheit bei Investitionen – treffen Unternehmen und Anleger gleichermaßen. 

Langfristig orientierte und institutionelle Anleger wie das Smart Money reagieren gelassen auf solche Verwerfungen. Denn sie setzen auf bewährte Prinzipien wie eine breite Diversifikation, eine fundierte Strategie und eine langfristige Ausrichtung des Portfolios.

Mehr darüber, wie das Smart Money seine Investments steuert und wie Sie sich diesen Ansatz zunutze machen können, erfahren Sie in unserem Webinar „Strategien für volatile Märkte”.

*Quelle: Bank of America Global Research, Neuberger Berman Analysen