Federal Reserve: Die große Uneinigkeit der Notenbanker

Das Wichtigste in Kürze
- Die FED senkt den Leitzins um 25 Basispunkte, doch innerhalb des geldpolitischen Ausschusses herrscht seltene Uneinigkeit über den weiteren Kurs.
- Die Märkte reagieren verhalten: Zinssenkungen gelten bei Aktien zwar als positiv, doch die uneinheitlichen Dot Plots sorgen für Unsicherheit.
- Politischer Druck auf die Notenbank wächst. Anleger sollten kurzfristig mit Volatilität rechnen.
Nach langem Warten senkte die US-Notenbank Federal Reserve (FED) gestern ihren Leitzins um 25 Basispunkte. Bemerkenswert daran ist nicht der Zinsschritt an sich, mit diesem hatten Experten und die Börsen gerechnet. Vielmehr ist es die Zwickmühle, in der sich die FED nun befindet. Ein kurzer Blick in die letzte Presseerklärung reicht schon aus, um diese zu erkennen.
„Der Beschäftigungszuwachs hat sich verlangsamt, und die Arbeitslosenquote ist leicht gestiegen, bleibt jedoch niedrig. Die Inflation ist gestiegen und bleibt auf einem leicht erhöhten Niveau.” Presseerklärung vom 17. September
Einerseits bleibt also der Arbeitsmarkt unter Druck, andererseits ist die Inflation nach wie vor nicht vollständig abgeklungen. FED-Chef Jerome Powell zeigte sich vor der versammelten Presse am Mittwoch trotzdem optimistisch. Die Entscheidung für den Zinsschritt sei im geldpolitischen Ausschuss (Federal Open Market Committee) klar gewesen, die Sorgen bezüglich der Arbeitsmarktentwicklung hätten deutlich schwerer gewogen. Die Inflation wiederum hätte durch die Zollpolitik gewisse Einmaleffekte, die langfristig eine untergeordnete Rolle spielten.
Agree to disagree
Doch tatsächlich sind die Einschätzungen innerhalb des FOMC so uneinheitlich wie selten: Die sogenannten Dot Plots, mit denen die Ausschussmitglieder ihre Zinserwartungen zeigen, offenbaren die große Bandbreite der Meinungen. Von den 19 Mitgliedern gehen sieben davon aus, dass die Zinsen bis Ende des Jahres unverändert bleiben. Zwei Mitglieder erwarten einen Zinsschritt, neun rechnen mit zwei Schritten. Die Notenbank ist uneins.
Eine vergleichbare Situation gab es zuletzt in den späten 1970er- und frühen 1980er-Jahren, als Inflation und Arbeitslosigkeit zunahmen und die Meinungen im Ausschuss auseinanderdrifteten. Heute wie damals sorgt dieses Stimmungsbild für Unsicherheit am Markt.
Wie reagieren die Märkte?
Grundsätzlich gilt ein Zinssenkungsszenario als positiv für Aktien, da niedrigere Zinsen den Unternehmen mehr Spielraum geben. Trotzdem schlossen die US-Märkte gestern neutral. Hat die Wall Street also geschlafen? Wohl kaum. Denn an der Börse, das wissen die, die schon länger dabei sind, wird die Zukunft gehandelt. Und das Bild für die Zukunft ist, nun ja, uneinheitlich.
Auch die übrigen Märkte reagieren verhalten: Während die Renditen von US-Staatsanleihen bei kurzen Laufzeiten leicht fielen, tat sich bei langen Laufzeiten kaum etwas. Ein Zeichen, dass der Markt dem vorsichtigen Optimismus der FED für die kommenden Jahre noch nicht traut. Am Devisenmarkt zeigte sich der Dollar zwar etwas schwächer, größere Kursausschläge blieben aber aus.
Ist die FED noch unabhängig?
Der Blick auf die Dot Plots und die jüngste Kommunikation der FED zeigen auch, dass der Einfluss des Weißen Hauses zunehmend spürbar wird. Insbesondere durch die Präsenz des Trump-Vertrauten Stephen Miran, der als einziger gegen den Zinsschritt gestimmt hatte. Er hatte stattdessen 50 Basispunkte gefordert. Auch seine Einschätzung zu weiteren Zinssenkungen ist deutlich offensiver als die der anderen Mitglieder. Auch rechtlich erhöht Trump den Druck: So versuchte er, FED-Vorständin Lisa Cook zu entlassen. Zwar hatte ein Berufungsgericht das vorerst untersagt, aber der Fall könnte bis zum obersten Bundesgerichtshof gehen. Es wird also ungemütlicher für die Notenbanker.
Was bedeutet das für Anleger?
Die Unklarheit in Bezug auf das weitere Vorgehen der FED bleibt ein zentrales Thema für die Kapitalmärkte. Insofern dürfte Volatilität weiterhin zu erwarten sein. Trotzdem naht mit dem Jahresende eine saisonal starke Phase. Die FED könnte mittelfristig eine leicht erhöhte Inflation in Kauf nehmen, um die Wirtschaft vorerst zu stabilisieren. Taktische Spielereien und Timing-Versuche sind vor dem unklaren Hintergrund mit Risiko verbunden. Ein solides, gut diversifiziertes Anlageportfolio ist langfristig die beste Lösung für Vermögensausbau und -erhalt.