Märkte: Stimmung im Aufwind
LIQID Smart Letter
Juni 2024
Das Wichtigste in Kürze:
- Die Risiken in der Weltwirtschaft haben in den letzten Wochen abgenommen.
- Die Inflation beschäftigt die Kapitalmärkte weiterhin und sorgt für geringe Renditen am Anleihenmarkt.
- Der US-Aktienmarkt bleibt in einem schwierigen Spannungsfeld zwischen wirtschaftlicher Dynamik und Zinssenkungsfantasien. Währenddessen erlebten chinesische Aktien eine Aufholjagd.
Der Blick in den Rückspiegel auf die Wachstums- und Inflationserwartungen von Ende 2023 für das erste Halbjahr 2024 zeigt, dass die Weltwirtschaft den befürchteten „Worst Case” einer US-Rezession vermieden hat. Zudem hat sie die zahlreichen Herausforderungen bisher erstaunlich gut gemeistert.
Insgesamt zeigen die makroökonomischen Daten der letzten Wochen, dass die vormals befürchteten Extremrisiken einer Rezession, einer nachhaltigen Stagflation oder einer inflationären Überhitzung zurückgegangen sind. Stattdessen erwartet man nun eine „normalere” Dynamik auf beiden Seiten des Atlantiks.
An den Finanzmärkten wurde dies im Mai zelebriert (s. Abb. 1). Zuvor hatten bereits der (inzwischen hinfällige) Ausblick auf scharfe Zinssenkungen und das nachlassende starke Wirtschaftswachstum für Euphorie gesorgt. Generell sind abnehmende Risiken zwar positiv für Finanzmarktbewertungen, es bleibt jedoch zweifelhaft, wie lange die gegenwärtige Markteuphorie der Realität hoher Zinsen und unterdurchschnittlichen Wachstums standhalten kann.
Anleihen: Kreditrisiken lohnen sich nicht
Seit dem Ausbruch der US-Regionalbankenkrise im Frühjahr 2023 sind die Kreditrisikoaufschläge auf breiter Front und kontinuierlich gesunken – von Investment-Grade- über Hochzinsanleihen bis hin zu kreditbesicherten Schuldverschreibungen. Insbesondere im Bereich der US-Dollar-Unternehmensanleihen mit hoher Bonität ist der Renditeaufschlag gegenüber Staatsanleihen so niedrig wie seit zweieinhalb Jahren nicht mehr und liegt nahe dem Allzeittief. Diese Entwicklung ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen:
- Die Konjunktur wächst zwar unterdurchschnittlich, bleibt aber dennoch stabil. Das spiegelt sich auch in robusten Unternehmensdaten wider.
- Schuldner mit guter Bonität haben die Niedrigzinsphase genutzt, um sich mit teils extrem langen Laufzeiten günstig zu refinanzieren.
- Hohe Cash-Bestände in Verbindung mit der inversen Zinsstruktur führen bei finanziell gut aufgestellten Unternehmen zu positiven Nettoerträgen.
- Das Investoreninteresse an festverzinslichen Anleihen dürfte deutlich zugenommen haben, was die Risikoaufschläge nach unten drückt.
- Neuemissionen treffen auf eine gesunde Nachfrage, was die Kreditrisikoprämie ebenfalls schrumpfen lässt.
In diesem Umfeld bevorzugen wir Unternehmensanleihen mit hoher Kreditqualität und sind daher überwiegend in Anleihen von Emittenten mit guter bis sehr guter Bonität investiert. Denn Fakt ist, dass die zusätzliche Rendite durch das Eingehen von Kreditrisiken – etwa bei Hochzinsanleihen – durch eine geringe Ausweitung der Risikoaufschläge zunichtegemacht würde.
Aktien: Ein schlafender Riese erwacht?
US-Makrodaten haben nach einer langen Phase überraschender Robustheit jüngst die Erwartungen verfehlt. Sowohl BIP-Wachstumsraten, Arbeitsmarktdaten, als auch die Daten für das US-Konsumentenvertrauen haben enttäuscht. Hinzu kamen leicht unter den Erwartungen liegende Inflationszahlen. Abbildung 2 zeigt den anhaltenden Anstieg des S&P 500 gegenüber dem fallenden Index für makroökonomische Überraschungen. Der S&P 500 legte nicht trotz, sondern gerade wegen der enttäuschenden Makrodaten in Kombination mit schwächeren Inflationszahlen zu, die Spekulationen über Zinssenkungen anheizten.
Betrachtet man die regionale Performance (s. Abb. 3), liegt der S&P 500 im unteren Teil der Rangliste gegenüber Aktienindizes wie MSCI China, FTSE 100 (UK), Stoxx Europe 600 und SPI (Schweiz). Vor allem chinesische Aktien konnten in den letzten 3 Monaten eine beeindruckende Performance liefern. Es scheint, als habe China die industrielle Rezession im ersten Quartal überwunden. Sowohl die Import-/Exportdaten – insbesondere aus innerasiatischen Volkswirtschaften wie Japan, Südkorea oder Taiwan – als auch die industrielle Produktion haben angezogen. Die Geld- und Fiskalpolitik stützt den heimischen Immobilienmarkt mit tieferen Zinsen, tieferen Mindestauflagen für Erstkäufer von Wohneigentum sowie durch die Einführung eines Programms für den Ankauf von Vermögenswerten durch lokale Regierungen, um überschüssige Wohnungsbestände abzubauen.
Ausgehend von einer niedrigeren Basis scheint eine Gewinnerholung möglich, bei gleichzeitig hohen Bewertungsabschlägen gegenüber dem Weltaktienindex. Eine nach wie vor pessimistische Investorenstimmung und damit eine deutliche Untergewichtung durch globale Investoren runden das Profil ab. Weitere Verschärfungen neuer Einfuhrzölle der USA auf chinesische Importe können im Vorfeld der Präsidentschaftswahl in den USA nicht ausgeschlossen werden. Insgesamt scheint uns aber das Risiko-Rendite-Profil chinesischer Aktien für risikotolerante Investoren weiterhin attraktiv, weshalb wir auch innerhalb unserer Aktienallokation in dieser Region investiert bleiben.
Was heißt das für Anleger?
Die alte Börsenweisheit „Sell in May and go away” (Verkaufe im Mai und halte dich von der Börse fern) bewahrheitete sich im letzten Monat nicht. Stattdessen setzten die Aktienmärkte ihre positive Entwicklung vom Frühjahr fort, und der April stellte lediglich eine kurze Verschnaufpause dar. Die soliden Ergebnisse der US-Unternehmen und das Ausbleiben einer Rezession unterstützen weiterhin die positive Stimmung am Aktienmarkt. Im Gegensatz dazu haben die Anleihenmärkte weiterhin mit dem anhaltenden Trend hoher Zinsen für längere Zeit („higher for longer”) zu kämpfen.