Schwellenländer im Aufschwung: Wachstum kehrt an die Börsen zurück

Das Wichtigste in Kürze
- Schwellenländer sind Volkswirtschaften im Übergang zu Industrienationen, die durch hohes Wachstum und eine wachsende Mittelschicht gekennzeichnet sind.
- Für Anleger bieten sie die Chance auf langfristig höhere Renditen und eine verbesserte Portfoliodiversifikation, da ihre Märkte nicht immer im Gleichklang mit denen der Industrieländer laufen.
- Investments sind mit erhöhten Risiken verbunden, darunter eine höhere Marktvolatilität, Währungsschwankungen und politische Unsicherheiten, die eine sorgfältige Analyse erfordern.
Nach eher verhaltenen vier Jahren (2021–2024) erleben Schwellenländer-Aktien seit Mitte 2025 eine deutliche Wiederbelebung. Sinkende US-Zinsen, eine stabile Inflation in den Industrieländern und das wieder erwachende Vertrauen globaler Investoren in Asien, Lateinamerika und Teilen Osteuropas haben eine Rally ausgelöst, die einige Regionen bereits auf neue Mehrjahreshochs geführt hat. Der MSCI Emerging Markets Index verzeichnet seit Jahresbeginn ein Plus von 17,8 Prozent¹, getragen vor allem von Märkten wie Indien, Taiwan, Brasilien und Mexiko.
Während China weiterhin unter strukturellen Herausforderungen leidet, insbesondere im Immobiliensektor und in den geopolitischen Beziehungen zu den USA, konzentriert sich das Kapital zunehmend auf alternative Wachstumsmärkte: Indien profitiert von robustem Binnenkonsum und einer wachsenden IT-Industrie, Mexiko vom „Nearshoring“-Trend, der Produktionsketten näher an den US-Markt bringt. Brasilien wiederum gewinnt durch sinkende Zinsen und steigende Rohstoffpreise an Attraktivität.
Was sind Schwellenländer?
Schwellenländer (Englisch: Emerging Markets) sind Volkswirtschaften, die sich im Übergang von einem Entwicklungsland zu einem Industrieland befinden. Sie wachsen meist schneller als die etablierten Industrieländer und entwickeln kontinuierlich ihre Finanzmärkte, Infrastruktur und rechtlichen Rahmenbedingungen weiter.
Institutionen wie MSCI, FTSE Russell oder der Internationale Währungsfonds (IWF) erstellen ihre eigenen Klassifikationen, basierend auf Kriterien wie Einkommen pro Kopf, Liquidität der Aktienmärkte, Marktgröße und regulatorischer Stabilität. Beispiele sind Brasilien, Indien, Thailand, Südafrika, Südkorea und die Türkei. Es gibt keine einheitliche Liste: So zählt Griechenland laut MSCI heute wieder als Schwellenland, obwohl es nach EU-Definition zu den entwickelten Märkten gehört.

Warum sind Schwellenländer für Anleger relevant?
Die wirtschaftliche Bedeutung dieser Länder ist enorm: Im Jahr 2025 leben etwa 85 Prozent der Weltbevölkerung dort, und sie erwirtschaften je nach Berechnung 40–60 Prozent des globalen BIP (nominal bzw. kaufkraftbereinigt). Trotzdem spiegeln die Aktienmärkte dieses Gewicht nur teilweise wider, Emerging Markets stehen lediglich für rund 15 Prozent der globalen Aktienmarktkapitalisierung.
Für Anleger sind Schwellenländer aus mehreren Gründen attraktiv:
- Wachstumspotenzial: Junge, wachsende Bevölkerungen und fortschreitende Urbanisierung sorgen für überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum.
- Portfolio-Diversifikation: Schwellenländer bewegen sich nicht immer im Gleichklang mit Industrieländern und können so zur Risikostreuung im Portfolio beitragen.
- Attraktive Bewertungen: Historisch sind Aktien dort meist günstiger bewertet (niedrigere KGVs) als in entwickelten Märkten.
- Strukturelle Trends: Sektoren wie Technologie, Infrastruktur und Konsum wachsen dynamisch und bieten Innovationschancen.
Diese positiven Fundamentaldaten werden aktuell durch mehrere makroökonomische und geopolitische Faktoren gestützt, die die jüngste Aktienrally in Schwellenländern besonders unterstützen.
Aktuelle Treiber der Rally
- Zinswende: Die US-Notenbank hat im September 2025 erstmals den Leitzins gesenkt, was Kapitalflüsse in risikoreichere Anlageklassen wie Schwellenländer begünstigt.
- Rohstofferholung: Energie und Industriemetalle legten kräftig zu, was rohstoffexportierende Länder stützt.
- Wechselkursstabilität: Der schwächere US-Dollar erleichtert Finanzierung und Handel für viele Schwellenländer.
- Technologiebereich: Der kräftige Aufschwung bei Halbleitern und KI-Infrastruktur stärkt besonders asiatische Märkte mit Technologie-Exposure.

Diese Länder treiben den Markt aktuell an
2025 zeigen sich Schwellenländer am Markt so stark wie lange nicht mehr, aber die Dynamik verteilt sich auf verschiedene Länder mit spezifischen Themen:
Griechenland
Seit der EU-Schuldenkrise hat Griechenland eine beeindruckende Aufholjagd hingelegt: Die Wirtschaft wächst solide, getrieben durch hohe EU-Investitionen, Exportstärke (Tourismus, Shipping, erneuerbare Energien) und einen boomenden Arbeitsmarkt. Trotz Schuldenrisiken bleibt das Land für Investoren interessant, da die Bewertungen weiterhin attraktiv sind.
Südkorea
Die koreanische Börse profitiert von Innovation im Technologiesektor: Samsung, SK Hynix und andere treiben das KI- und Halbleiterwachstum global voran. Die „Value Up“-Initiative zielt auf bessere Unternehmensführung und hebt versteckte Werte. Korea ist zentral beim Ausbau der digitalen Infrastruktur und bleibt ein Top-Wachstumsmarkt im asiatischen Vergleich.
Vietnam
Vietnam entwickelt sich vom Werkbank-Asien-Exporteur zu einem soliden Konsummarkt mit starker demografischer Entwicklung. Das Land zieht immer mehr internationale Investoren an, vor allem dank Infrastruktur-Ausbau, attraktiver FDI-Regelungen und Anhebung internationaler Standards im Finanzmarkt. 2025 wird Vietnam voraussichtlich auf die MSCI EM Watchlist gesetzt und könnte bis 2028 den Sprung in den MSCI EM Index schaffen.
Mexiko
Mexiko profitiert stark vom Trend des „Nearshoring“: Immer mehr US-Unternehmen verlagern Lieferketten nach Mexiko, um näher am US-Markt und unabhängiger von asiatischen Lieferanten zu sein. Ein robuster Arbeitsmarkt, niedrige Lohnkosten und stabile Beziehungen zu den USA sorgen für stetiges Wachstum und eine starke Hausse am lokalen Aktienmarkt.
Indien
Indien bleibt der strukturelle Dauerläufer: Mit starker Binnenkonjunktur, riesiger Bevölkerung und wachsender IT-, Pharma- und Dienstleistungsindustrie. Die Regierung treibt Reformen und Infrastruktur-Ausbau voran, was internationale Anleger anzieht.
Indonesien, Vereinigte Arabische Emirate (VAE), Türkei, Südafrika
Diese Länder punkten 2025 mit eigenen Wachstumstreibern: Rohstoffexporte (Indonesien, Südafrika), Infrastruktur und Immobilien (VAE, Türkei) sowie politische Reformen und Konsumstärke. Gerade höhere Rohstoffpreise und neue Handelsabschlüsse sorgen für Impulse.
Risiken bleiben – differenzierte Analyse entscheidend
Anleger sollten sich von der positiven Stimmung nicht täuschen lassen. Währungsrisiken, politische Umbrüche und unterschiedliche geldpolitische Zyklen erfordern Selektivität. Vor allem kleinere Märkte können von plötzlichen Kapitalabflüssen getroffen werden, wenn sich die Risikowahrnehmung wieder verschiebt. Eine strategische Streuung, über Länder, Sektoren und Anlageinstrumente hinweg, bleibt deshalb unerlässlich.
Fazit: Schwellenländer zurück im Fokus
Die jüngste Rally bestätigt die strategische Rolle von Emerging Markets im globalen Portfolio. Während zyklische Rückenwinde kurzfristig positive Impulse liefern, bestimmen langfristig strukturelle Faktoren – Demografie, Digitalisierung und Infrastruktur – über das Anlagepotenzial. Wer die aktuelle Marktphase nutzt, um sich gezielt in wirtschaftlich stabilen, reformorientierten Ländern zu positionieren, kann von der Renaissance der Schwellenländer profitieren.
¹ Quelle: Bloomberg. MSCI Emerging Markets Index in Euro. Stand: 27.10.2025. Historische Wertentwicklungen sind kein verlässlicher Indikator für künftige Wertentwicklungen.
