Private Debt: Der stille Boom jenseits der Anleihemärkte

Das Wichtigste in Kürze
- Der globale Private-Debt-Markt wird inzwischen auf zwischen 1,5 und 2 Billionen US-Dollar geschätzt und wächst weiter.
- Das wichtigste Segment ist Direct Lending: Unternehmen leihen sich Geld direkt bei privaten Kreditgebern statt über Banken oder Anleihen.
- Treiber: Banken ziehen sich zurück, Investoren suchen Rendite in Niedrigzinsphasen, und Private-Equity-Deals benötigen flexible Finanzierung.
Private Debt (auch Private Credit genannt) bezeichnet Firmenkredite, die nicht über öffentliche Märkte ausgegeben werden. Im Zentrum steht dabei das sogenannte Direct Lending: Ein Unternehmen erhält einen Kredit direkt von einem spezialisierten Private-Credit-Fonds oder -Sponsor – anstelle von einer Bank oder durch die Emission von Anleihen.
Typische Merkmale von Private Debt:
- Private-Debt-Manager vergeben in der Regel sogenannte „First Lien Loans“, also Kredite, die in der Rückzahlungs-Hierarchie ganz oben stehen.
- Zusätzlich sind Kredite oft besichert, beispielsweise mit Immobilien, Maschinen oder Forderungen.
- Die Verzinsung ist meist variabel (Floating Rate), um Zinsänderungsrisiken zu mindern.
- Die Laufzeiten sind mittelfristig, typischerweise 5–7 Jahre oder ähnlich.
- Kreditverträge enthalten häufig Covenants (Vertragsbedingungen), die dem Kreditnehmer bestimmte Grenzen vorschreiben (z. B. Verschuldungsquoten, Cashflow-Kriterien).
Für Unternehmen ist Private Debt attraktiv, weil Struktur und Ablauf oft schneller und flexibler sind als im klassischen Banken- oder Anleihemarkt. Für Investoren bietet sich die Chance auf höhere Zinsen gegenüber öffentlichen Krediten – gegen ein höheres Risiko und geringere Liquidität.
Ein Markt in Bewegung
Der Markt hat sich in den letzten Jahren rapide ausgeweitet: Schätzungen zufolge umfasst das Volumen von Private Debt aktuell zwischen 1,5 und 2 Billionen US-Dollar. Bis 2029 könnte das Volumen einer Prognose von Morgan Stanley zufolge auf bis zu 2,8 Billionen US-Dollar ansteigen.
Was treibt das Wachstum bei Private Debt an?
Es gibt eine Reihe struktureller Treiber hinter der enormen Dynamik von Private Debt. Insbesondere Veränderungen in der Bankenlandschaft, aber auch makroökonomische Aspekte spielen dabei eine Rolle.
- Rückzug der Banken: Verschärfte Eigenkapitalvorschriften und ein restriktiveres Risikomanagement haben viele Banken in den USA dazu veranlasst, ihr Engagement in Mittelstandskrediten und Spezialfinanzierungen zu reduzieren. Gleichzeitig kam es im Bankensektor zu einer Konsolidierung. Der grundsätzliche Finanzierungsbedarf hat sich dagegen nicht verändert.
- Suche nach alternativen Renditequellen: Für große institutionelle Investoren wird der Spagat immer schwieriger: Anleihenportfolios bieten kaum Ausschüttungen, Aktien sind volatil. Private Debt bietet die Chance auf hohe Ausschüttungen mit einem gewissen defensiven Schutz durch Besicherung.
- Nachfrage durch Private Equity: Das Wachstum der Anlageklasse Private Equity ist ein wichtiger Treiber. Private-Equity-Firmen benötigen regelmäßig Fremdkapital für Übernahmen, Refinanzierungen oder andere Transaktionen. Private Debt steht bereit, wenn der öffentliche Markt fehlt oder zu langsam ist.
- Der Markt differenziert sich aus: Neben klassischem Direct Lending gewinnen Spezialkredit-Strategien an Bedeutung – etwa Asset-Backed-Lending, Unitranche-Strukturen, Mezzanine Debt und Distressed Debt. So lassen sich Chancen in verschiedenen Risikoprofilen abdecken.
Private Debt als Anlageklasse: flexibel, aber komplex
Für Anleger liegt der Reiz von Private Debt in den hohen Zinsen: Viele Direct-Lending-Deals ermöglichen regelmäßige Rückflüsse, die drei bis fünf Prozent über dem üblichen Referenzzins liegen. Der Preis dafür, wie so oft in den Private Markets: Eine vergleichsweise geringere Liquidität und damit ein langfristiger Anlagehorizont. (Quelle: JP Morgan A.M.)
In Stressphasen zeigte sich bisher ein großer Vorteil der Assetklasse: Die Rückgänge (Drawdowns) waren oft moderater als bei anderen konservativen Anlageklassen wie etwa Hochzinsanleihen oder Leveraged Loans.1 Der Grund dafür: Besicherungen, aktive Maßnahmen der Manager und eine von Beginn an selektive Kreditvergabe dämpfen die Verluste. (Quelle: JP Morgan A.M.)
Starkes Wachstum in einer Anlageklasse birgt allerdings ebenfalls Risiken: Neue Akteure drängen in den Markt, die Produktlandschaft wird unübersichtlicher und die Selektion von Managern gewinnt mehr und mehr an Bedeutung. Gerade im Bereich Private Debt sind eine eingehende Due Diligence, systematische Diversifikation und umsichtiges Risikomanagement entscheidend.
Fazit: kein Geheimtipp mehr
Private Debt hat sich von der Nische zu einer zentralen Säule im Spektrum alternativer Anlagen entwickelt. Als alternativer Finanzierer erfüllt die Anlageklasse auch aus volkswirtschaftlicher Sicht eine wichtige Funktion. Für Anleger mit einem langfristigen Anlagehorizont kann die Anlageklasse eine spannende Alternative zum Anleihenmarkt sein. Sofern Sie die geringere Illiquidität und größere Intransparenz in Kauf nehmen können.
Um Missverständnissen vorzubeugen: Private Debt ist nicht risikofrei. Wer hier investiert, muss Managerkompetenz prüfen, Liquiditätsmechaniken verstehen und das Risiko von Kreditzyklen im Blick behalten. Aber in einer Welt niedriger Zinsen und volatiler Märkte kann Private Debt ein wertvoller Baustein für diversifizierte Portfolios sein.
1 Historische Renditen sind kein verlässlicher Indikator für künftige Wertentwicklungen. Bitte beachten Sie unsere Risikohinweise.