Einstiegszeitpunkt bei Aktien und ETFs: Time schlägt Timing

Tim Brückner

Tim Brückner

Zuletzt aktualisiert: 08.06.22

Was ist der beste Aktien-Einstiegszeitpunkt? Wann sollte man ETFs kaufen? Die Historie lehrt: Entscheidend ist es, möglichst frühzeitig und lange investiert zu sein. Wer professionell diversifiziert an den Kapitalmärkten anlegt, hat auf Dauer Erfolg. Egal, wann er eingestiegen ist.

Über ein Jahrzehnt lang kannten die Kurse an der Börse praktisch nur eine Richtung: nach oben. Das Jahr 2020 aber hat die enthusiastischen Kapitalmärkte auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Anleger, die kurz vor der Corona-Krise erstmals eingestiegen waren, hätten also – im Nachhinein betrachtet – besser noch gewartet. Die brutale Eskalation in der Ukraine Anfang 2022 markierte den nächsten Einschnitt: eine unvorstellbare Katastrophe für die betroffenen Menschen und zugleich eine starke Verunsicherung für die Börsen.

Doch: Wer hätte eine Krise, wie Corona sie ausgelöst hat, oder die Wahrscheinlichkeit von internationalen Sanktionen sicher voraussagen können? Nicht einmal institutionelle Anleger können das – viele von ihnen wurden von den fallenden Kursen genauso getroffen wie Privatanleger.

Und wäre jemand, der bis dato nicht an der Börse aktiv gewesen ist, mitten in einer turbulenten Phase oder gar einer Krise in den Aktienmarkt eingestiegen? Das Market Timing bei einzelnen Aktien wäre zwar vielversprechend gewesen. Aber dass jemand ohne Erfahrung investiert, wenn die Märkte maximal verunsichert sind, ist eher unwahrscheinlich.

Warum das relevant ist: Gründe zu zweifeln, lassen sich an der Börse immer finden. Denn erleben die Börsen einen Abschwung, glauben viele Anleger, es wäre zu früh für Käufe. Die Märkte könnten ja noch weiter fallen. Wer aber auf deutlich sichtbare Zeichen einer Erholung wartet, verpasst meist einen großen Teil des nächsten Aufschwungs. Und stellt sich dann die Frage, ob es für einen Einstieg nicht bereits wieder zu spät ist.

Der optimale Aktien- und ETF-Einstiegszeitpunkt lässt sich nicht bestimmen

Wer aus dem Timing-Teufelskreis nicht ausbricht, wird möglicherweise gar nicht investieren – und verzichtet damit auf die langfristig guten Renditenchancen, die die internationalen Wertpapiermärkte bieten. Auch diejenigen, die nur dann anlegen wollen, wenn das Marktumfeld sehr günstig erscheint, verlieren Geld. Das verdeutlicht eine Beispielrechnung des amerikanischen Vermögensverwalters J.P. Morgan Asset Management.

Die Analysten untersuchten die Wertentwicklung eines Portfolios aus Aktien und Anleihen zwischen 1948 und 2012 sowie zwischen 1980 und 2012. Sie kalkulierten das Endvermögen für zwei Anlegertypen:

  • Der erste kaufte das Portfolio und behielt es über beide Zeiträume (Buy-and-hold-Strategie).

  • Der zweite Anleger hat immer nur dann investiert, wenn Aktienmarktbewertung, Arbeitslosenzahlen und Inflation bestimmte Werte nicht überschritten oder sanken (Timing-Strategie).

Unter dem Strich führte die Schönwetter-Strategie in beiden Zeiträumen zu einem deutlich niedrigeren Vermögen im Vergleich zum immer voll investierten Buy-and-hold-Investor. Zwischen 1948 und 2012 fiel der Kapitalzuwachs des Schönwetter-Investors um mehr als 50 Prozent geringer aus. Das unterstreicht eine triviale Erkenntnis: Wer nicht investiert, kann auch nichts verdienen.

Was das zur Folge hat: An der Börse wird die Zukunft gehandelt, heißt es. Anleger müssen sich also mit der Tatsache anfreunden, dass sich immer erst im Nachhinein offenbart, ob ein Investitionszeitpunkt gut gewählt war oder nicht. Und das ist bei genauerer Betrachtung weniger problematisch als es auf den ersten Blick erscheint. Der Einstiegszeitpunkt ist nämlich gar nicht so wichtig – zumindest für diejenigen, die nicht kurzfristig spekulieren, sondern ihr Geld langfristig investieren.

Je länger die Anlagedauer von Aktien ist, desto geringer ist die Verlust-Wahrscheinlichkeit. Wer in den vergangenen 50 Jahren beispielsweise in den Deutschen Aktienindex DAX investierte und die Papiere 15 Jahre oder länger hielt, erlitt in keinem Fall einen nominalen Verlust – egal, wann er ein- und ausgestiegen ist.

 

Rendite-Differenzen zwischen verschiedenen Investitionszeitpunkten nehmen mit zunehmender Anlagedauer ab

Die Differenzen zwischen den durchschnittlichen Jahresrenditen, die sich bei einem Anlagehorizont von 15 Jahren erzielen ließen, waren allerdings erheblich. Im besten Fall erwirtschafteten Anleger jährlich 15,4 Prozent (1985-1999), im schlechtesten 2,4 Prozent (1965-1979) – eine Differenz von 13 Prozent. Diese Differenz schrumpft aber mit zunehmendem Anlagezeitraum: Bei 20 Jahren liegt sie noch bei 10,2 Prozent und bei 30 Jahren nur noch bei 4 Prozent.

Was das zur Folge hat: Je länger die Anlagedauer, desto unbedeutender wird der Einstiegszeitpunkt bei Aktien. Hinzu kommt, dass es sehr unwahrscheinlich ist, die niedrigsten Kurse beim Kauf zu erwischen.

Einen größeren Geldbetrag nach und nach anzulegen, drückt meistens die Rendite

Bankberater, Verbraucherschützer und Medien raten unentschlossenen Anlegern oftmals, nach und nach zu verschiedenen Zeitpunkten zu investieren. Wer beispielsweise 500.000 Euro hat, könne jedes Quartal ein Viertel der Summe anlegen.

Immer beliebter geworden sind in den vergangenen Jahren auch Sparpläne. Es gibt sowohl Aktien- als auch Fonds- und ETF-Sparpläne. Statt einmal ein großes Paket an Wertpapieren zu kaufen und zu halten, erwerben Anleger mit einem Sparplan regelmäßig kleine Anteile. Bei der Anlage in ETFs (börsengehandelte Indexfonds) investieren sie beispielsweise 500 Euro monatlich in den MSCI World. Dieser Index wird häufig empfohlen, da in ihm rund 1.600 Aktien aus 23 Industrieländern vertreten sind.

Durch die Aufteilung der Investments soll ein ungünstiger Einstiegszeitpunkt vermieden werden. Auf diese Weise soll der so genannte Cost-Average-Effekt zum Tragen kommen. Er besagt, dass regelmäßige Einzahlungen in einen Sparplan eine höhere Rendite einbringen als eine Einmalanlage.

Was im ersten Moment plausibel klingt, hält einer wissenschaftlichen Überprüfung allerdings nicht Stand. Denn der schrittweise Einstieg in den Markt führt in der Regel zu einem geringeren Endvermögen. Das lässt sich ganz einfach erklären: Die Anlagedauer ist geringer. Also hat das Kapital weniger Zeit, sich zu vermehren.

 

Die bessere Strategie: Vollständig in ein professionell diversifiziertes Portfolio investieren

Dass eine Einmalanlage von Vorteil ist, legt auch eine Untersuchung der Universität Mannheim nahe. Die Autoren Thomas Langer und Niels Nauhauser vergleichen zwei Strategien:

  • Im ersten Fall besitzt ein Anleger 1200 Euro und investiert ein Jahr lang jeden Monat 100 Euro in den Aktienmarkt. Das jeweils verbleibende Kapital ist festverzinst am Geldmarkt angelegt.

  • Im zweiten Fall werden zu Beginn des Betrachtungszeitraum 700 Euro in Aktien und 500 Euro am Geldmarkt investiert. Dieses Portfolio wird über das ganze Jahr gehalten (Buy-and-hold-Strategie). Die 700 Euro in Aktien entsprechen in etwa der Kapitalbindung der Nach-und-nach-Strategie.

Ergebnis: Die Buy-and-hold-Strategie liefert sowohl ein höheres Endvermögen als auch niedrigere Wertschwankungen. Dieses Resultat ließe sich systematisch für alle Portfolios mit einem Aktienanteil zwischen 655 und 732 Euro nachweisen.

Demnach sind Anleger besser beraten, wenn sie ihr Kapital nicht schrittweise, sondern direkt vollständig in ein diversifiziertes Portfolio investieren, das zu ihrem Risikoprofil passt. Der Einstieg sei „grundsätzlich umso erfolgversprechender, je früher und je umfangreicher er geschieht“, stellt auch der Finanzexperte und Buchautor Gerd Kommer fest.

 

Die richtigen Kennzahlen helfen, extreme Überbewertungen zu erkennen

Anleger sollten natürlich nicht blindlings in Aktien investieren. Ein Blick auf die Bewertung kann bei extremen Marktentwicklungen ein guter Hinweis dafür sein, die Aktienquote zu senken oder zu erhöhen. Der Ökonom und Wirtschaftsnobelpreisträger Robert Shiller sagt: „Es wäre verrückt, nicht auf die Bewertungen zu achten.“

Anfang 2000 beispielsweise war in der Geschichte der Börsen einer der schlechtesten Zeitpunkte, um in den Aktienmarkt einzusteigen. Die weltweite Aktieneuphorie hatte ihren Höhepunkt erreicht und die Bewertungen vieler Unternehmen markierten historische Höchststände. Was folgte, war das Platzen der Dotcom-Blase und ein Einbruch der Aktienkurse.

Zwar lassen sich mit Bewertungskennzahlen keine Wendepunkte an den Börsen vorhersagen. Aber die richtigen Bewertungsmaßstäbe können zumindest dabei helfen, extreme Über- oder Unterbewertungen zu erkennen – und das Portfolio entsprechend anzupassen.

Von Smart-Money-Strategien lernen: Keine Gedanken übers Timing bei Aktien müssen sich Anleger machen, die langfristig und professionell diversifiziert investieren möchten. Eine Vermögensverwaltung wie LIQID Wealth übernimmt das für sie. Sie investiert das Kapital – je nach Anlageziel – in unterschiedliche Anlageklassen und sorgt beispielsweise durch regelmäßiges Portfolio-Rebalancing dafür, dass die Zusammenstellung des Depots immer zum ursprünglich gewählten Anlageziel passt.

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